PSNV – die Basics!

Auch wenn sich in den letzten Jahren das Thema – und vor allem der Umgang mit dem Thema – Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) innerhalb der Einsatzdienste stark gewandelt hat, so wird es dennoch noch nicht ganz vorurteilsfrei betrachtet.

Aus vielen Untersuchungen wissen wir aber, dass eine Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei Einsatzkräften häufiger vorkommt als bei der restlichen Bevölkerung (Berger et. al., 2012). Sie bleibt aber alles in allem eher selten. Allerdings gibt es auch Reaktionen, die auftreten können und noch nicht das Vollbild einer PTBS ausmachen. Dies scheinen häufiger aufzutreten.

Da wir als Führungskräfte sowohl für die Gesundheit unserer Einsatzkräfte als auch von uns selbst verantwortlich sind, ist es unabdingbar über gewisse Grundkenntnisse der PSNV zu verfügen. In diesem Beitrag wollen wir euch zeigen was passieren kann und was man grundlegend wissen sollte.

Neben dem Einsatz selbst beeinflussen auch die ganz persönlichen Umstände eines jeden das Auftreten einer Reaktion. Die eigene Ausgangslage wird von

  • meinem Ausbildungsstand (fühle ich mich sicher und bin den Anforderungen des Einsatzes gewachsen), 
  • meinem aktuellen Befinden (bin ich ausgeruht, habe ich privaten Stress),
  • und weiteren Zuständen, die auf die eigene Widerstandsfähigkeit einwirken

beeinflusst.

Zu dieser eigenen Ausgangssituation hinzu kommt der Einsatz. Als Beispiel werden hier besonders erschütternde Einsätze genannt wie der Tod von Kindern, eigenen Bekannten oder gar anderen Einsatzkräften. Es sind allerdings auch andere Szenarien denkbar, die teilweise subjektiv nicht als besonders belastend imponieren. Grundsätzlich stellen die meisten Einsätze per se mal eine nicht-alltäglich Situation dar.

Ein ganz zentraler Punkt im Verständnis der Reaktionen innerhalb der PSNV ist, dass diese nicht auftreten müssen, aber können.

Dieses Verständnis muss in zweierlei Richtung geschaffen werden:

Zum einen kann ein Einsatz von außen dramatisch und belastend wirken, die Einsatzkräfte entwickeln jedoch keinerlei bemerkenswerte Reaktionen.

Auf der anderen Seite kann eine solche Reaktion jeden (ohne Ausnahme) treffen. Von der jungen unerfahrenen Einsatzkraft bis hin zum alten Hasen, den scheinbar nichts erschüttert.

Diese beiden Ausprägungen gilt es im Hinterkopf zu behalten, machen sie doch den Umgang mit der Thematik nicht weniger diffizil.

Man unterscheidet die Reaktionen von Einsatzkräften in drei Situationen:

  • akute Belastungsreaktion (teils auch akuter Stress genannt)
  • akute Belastungsstörung
  • Posttraumatischen Belastungsstörung

Diese Situationen können ineinander übergehen, allerdings genauso gut isoliert auftreten. Wichtig für das Verständnis ist die zeitliche Dauer:

  • Die akute Belastungsreaktion tritt relativ direkt nach dem erlebten Ereignis (in unserem Fall dem Einsatz) auf und hält wenige Stunden bis Tage an – als Faustregel kann man sich bis zu 48 h nach dem Ereignis merken.
  • Die akute Belastungsstörung kann direkt nach dem Ereignis jedoch auch etwas verzögert auftreten und hält bis zu vier Wochen an.
  • Die Posttraumatischen Belastungsstörung, die schwerste Form, hält deutlich länger als vier Wochen an.

Die genannten Zeitspannen stellen grobe Orientierungen dar. Gewiss kann man nicht für jeden verallgemeinernd diese Grenzen immer exakt minutengenau setzen.

Einige Symptome treten bei allen drei Formen auf, hierzu gehören:

  • Erschöpfung
  • Schlafstörung
  • Konzentrationsprobleme

Weitaus schwerwiegendere Symptome und meist erst bei der PTBS zu beobachten sind (hier nur einige beispielhaft genannt):

  • das Wiedererleben der belastenden Situation (z.B. Flashbacks),
  • das Vermeiden gewisser Orte und Situationen
  • Stimmungsschwankungen

Für uns als Einsatzkräfte (und zwar von der untersten bis zur höchsten Ebene) dürfte die akute Belastungsreaktion die häufigste anzutreffende Reaktion sein. Wer kennt es nicht, dass er nach einem für einen selbst beeindruckenden Einsatz schwer einschlafen kann oder sich erschöpft fühlt. Was hier als akute Belastungsreaktion benannt ist stellt eine normale Reaktion auf solch nicht-alltägliche Einsätze dar. Man sollte diese registrieren aber mit Nichten einen Krankheitswert beimessen. Wir dürfen eine solche normale Reaktion zeigen. Hilfreich sind hier oft der Kontakt zu engen Vertrauten, ob aus der eigenen Einsatzorganisation, Freunde/innen oder auch der LebenspartnerIn. Auch Hobbys oder eine andere für jeden selbst individuelle Art Abstand zu gewinnen können nützlich sein.

Auch die akute Belastungsstörung stellt, auch wenn der Begriff Störung etwas anderes vermuten lässt, erstmal noch keine Erkrankung dar. Es gilt jedoch ein Augenmerk darauf zu haben wie sich diese Reaktion entwickelt und ob es in erster Linie an Hand der Dauer einen Übergang in eine PTBS gibt. Oftmals ist für die Betroffenen – neben zuvor genannten Aspekten – eine externe Unterstützung z.B. durch PSNV-E-Kräfte in dieser Zeit hilfreich.

Die PTBS bedarf in aller Regel die Unterstützung von Psychotherapeuten/innen.

Zusammenfassend sollten wir über die PSNV in unseren eigenen Reihen wissen, dass entsprechende Reaktionen weder ungewöhnlich sind noch Zeichen von Schwäche oder gar einer psychischen Erkrankung. Jeder kann davon betroffen sein und es gilt die Reaktion entsprechend der oben genannten Einteilung einzuordnen. Ebenso ist es aber auch möglich, dass Einsatzkräfte auch auf sehr belastende Einsätze mit keiner dieser Reaktionen reagieren.

Wie wir speziell als Führungskräfte mit dem Thema PSNV umgehen müssen und was es zu beachten gilt, erörtern wir demnächst in einem separaten und praxisnahen Leitfaden für euch.

Quellen:

  • Berger W, Coutinho ES, Figueira I, Marques-Portella C, Luz MP, Neylan TC, Marmar CR, Mendlowicz MV. Rescuers at risk: a systematic review and meta-regression analysis of the worldwide current prevalence and correlates of PTSD in rescue workers. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol. 2012 Jun ;
  • Leitfaden Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte – DGUV Information 205-038 ;
  • Schulungsmaterial der Landeszentralstelle PSNV Bayern

News: Modernisierung des Stabs

Die Ereignisse der vergangenen Jahre machen deutlich was erfahrene Führungskräfte seit Langen entweder am eigenen Leibe erlebten oder vermuteten: die sechs Stabsfunktionen stoßen an ihre Grenzen, ja reichen sogar oftmals gar nicht aus!

Daher entschloss man sich nun im Rahmen einer Novellierung der DV100 den neuen und gestiegenen Anforderungen an einen Stab gerecht zu werden und erweiterte diesen. Die uns allen bekannten und geschätzten sechs Stabsfunktionen (Personal/Innerer Dienst, Lage, Versorgung, Presse- und Medienarbeit, Informations- und Kommunikationswesen) werden um zehn weitere Funktionen ergänzt und werden in Ihrer Anwendung geringfügig angepasst.

So bleiben zwar S 5 und S 6 optionale und lageabhängige Ergänzungen des Stabs, allerdings sind S 9, S 11 und S 12 ebenso zwingend einzurichten wie S 1 – S4. Auch eine Zusammenlegung der ersten vier Stabsfunktionen auf zwei ist nicht mehr vorgesehen. 

Wie genau die neuen 16 Sachgebiete benannt sind könnt ihr folgender Übersicht entnehmen:

Nach wie vor kann und soll ein solcher Stab natürlich du entsprechende Fachberaterinnen und Fachberater ergänzt werden. 

Leise Kritik eine Ausweitung des Stabs könne viele Führungsstrukturen nicht nur personell an ihre Grenzen bringen muss unter den stetig wachsenden Anforderungen an einen Stab zurück bleiben. In langen Diskussionen kristallisierten sich diese zehn ergänzenden Gebiete als absolutes Minimum heraus, um alle Aufgaben in die Stabsarbeit zu integrieren.

Selbstverständlich bedarf eine solche Novellierung einer umfassenden Nachschulung und Weiterbildung. Wir werden in den kommenden Tagen damit beginnen und euch die einzelnen Sachgebiete und deren Aufgaben im Detail vorstellen. Ihr dürft gespannt bleiben!

Kommunikation im THL Einsatz – Verkehrsunfall

Kommunikation im THL Einsatz – Verkehrsunfall
Wer spricht wann mit wem und worüber?

Bei einer Technischen Hilfeleistung treffen zwei Fachbereiche direkt und oftmals sogar schon im Gefahrenbereich aufeinander: die technische und die medizinische Rettung!

Die technische Rettung wird klassischer Weise von der Feuerwehr übernommen, die medizinische vom Rettungsdienst. Ziel beider Disziplinen ist eine patientenorientierte Menschenrettung. Die Beschreibung patientenorientiert ist hier bereits der erste wichtige Punkt, über den sich beide im Vorgehen und der Zusammenarbeit einig werden müssen, ist doch jede Rettung immer auf den individuellen Patienten und dessen Zustand angepasst. Darüber hinaus ist in aller Regel bereits vor und teilweise während der technischen Rettung eine medizinische Versorgung des Patienten notwendig. Hierfür benötigt der Rettungsdienst zum einen Zugang zum Patienten, zum anderen muss er im Gefahrenbereich parallel zur Feuerwehr arbeiten. Viele Punkte, die eine zielgerichtete und klare Kommunikation beider Fachdiensten notwendig – ja sogar unersetzlich – machen.

Die Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes e.V. hat vier W-Fragen und eine K-Frage formuliert, die die Kommunikation zwischen Feuerwehr und Rettungsdienst unterstützen sollen (vfdb 06-01:2019-05). Diese Fragestellungen werden inhaltlich auch in diesem Beitrag aufgegriffen und dienen sozusagen als Grundlage, allerdings werden wir in erster Linie den praktischen Zusammenhang adressieren.

Essentielle Basis, noch bevor in medias res gegangen werden kann, ist die klare Benennung von Ansprechpartnern/innen beider Seiten. Unabhängig, ob der Rettungsdienst mit einer eigenständigen Einsatzleitung (Einsatzleiter Rettungsdienst, Organisatorischer Leiter) ausrückt oder ob die Feuerwehr dies übernimmt. Egal, ob einzelne Abschnitte gebildet werden oder ob die Größe des Einsatzes dieses nicht notwendig macht. Es können und müssen immer Ansprechpartner/innen beider Seiten benannt und einander vorgestellt werden. Zwischen diesen beiden sollte eine enge und möglichst lückenlose Kommunikation während des Einsatzes möglich sein.

Um euch eine klare und unmissverständliche Kommunikation zu ermöglichen, bieten wir ein Notizblatt mit den wichtigsten Punkten an (ähnlich wie unser Notizblatt für den Einsatzleiter). Auch hier sind gleich zu Beginn die beiden Ansprechpartner/innen aufgeführt.

In weiterer Folge sollte eindeutig der Ort der Technischen Rettung benannt werden. Auf unserem Notizblatt am Beispiel des Verkehrsunfalls das jeweilige Unfallfahrzeug. Hier kann es hilfreich sein Merkmale wie Farbe oder Fabrikat zu notieren, um sicherzustellen über welches Fahrzeug gesprochen wird.

Da der Patient die zentrale Rolle in der Technischen Hilfeleistung einnimmt ist dessen Zustand entscheidend für das weitere Vorgehen. Der Rettungsdienst wird sehr schnell nach Erstkontakt eine medizinische Einschätzung geben können. Wichtig ist hier in erster Linie, ob es sich um einen kritischen oder nicht-kritischen Patienten handelt, da dies Folgen für den Rettungsmodus hat. Auch der Rettungsmodus (schnell oder zeitorientiert) sollte in diesem Zuge abgesprochen werden (Leitfaden Verkehrsunfall – eingeklemmt).

Aus diesen beiden Absprachen folgt ein wichtiger und oft vernachlässigter Punkt: eine Angabe der ungefähren Zeitdauer der technischen Rettung!

Es fällt auf, dass Feuerwehr und Rettungsdienst, sogar die unterschiedlichen Einsatzkräfte innerhalb der Organisationen, verschiedene Auffassungen von der zeitlichen Dauer einer schnellen oder zeitorientierten Rettung haben. Um hier fehlerhafte Absprachen und letztlich im Zweifel Nachteile für den Patienten zu vermeiden, sollte eine Angabe der Zeitdauer in Minuten erfolgen. Damit sind beide Seiten auf einem klaren Stand und sollte diese Dauer beispielsweise aus notfallmedizinischer Sicht nicht akzeptabel für den Patienten sein, kann frühzeitig interveniert werden.

Um die Sicherheit beider Seiten während dem parallelen Arbeiten im Gefahrenbereich zu gewährleisten, sollte das technische Vorgehen der Feuerwehr klar benannt werden. Hierbei ist weniger wichtig, dass beispielsweise die Schnittführung oder ähnliches genau beschrieben wird. Wichtig ist viel mehr welches technische Gerät angewendet wird, welche Teile entfernt werden und wo dabei Interaktionen zwischen beiden Fachdiensten entstehen können. Im gleichen Schritt kann auch der Arbeitsbereich der Feuerwehr und der des Rettungsdienstes abgesprochen und in unser Notizblatt eingezeichnet werden.

Sind diese drei wichtigen Punkte:

  • Ansprechpartner und Örtlichkeit
  • Patientensituation und Rettungsmodus
  • Vorgehen und Arbeitsbereiche

geklärt und abgesprochen endet die Kommunikation aber keinen Falls.

Eine regelmäßige Absprache zwischen beiden Ansprechpartnern und eine ständige Erreichbarkeit ermöglicht beiden Seiten ein schnelles und flexibles Reagieren auf Lageänderungen. Reevaluiert hierbei die Situation immer wieder aufs Neue, so wie ihr es aus dem Führungskreislauf kennt.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass die Technische Rettung eine im Zweifel komplexe Situation darstellt, in der zum Wohle des Patienten Rettungsdienst und Feuerwehr Hand in Hand arbeiten müssen. Um diese Zusammenarbeit zu optimieren sind eine gute Kommunikation und klare Absprachen wichtig. Nutzt hierfür (gerade in Übungen oder der Ausbildung) gerne unser Notizblatt, um die wichtigen Punkte zu bedenken und abzusprechen.

Klare Gedanken fassen II – Resilienz stärken

Klare Gedanken fassen II – Resilienz stärken

Das wichtigste (oder vielleicht auch enttäuschenst) zuerst: wir können Resilienz nicht von heute auf morgen besitzen. Wir können sie nur Stück für Stück stärken und verbessern.

Es gibt Techniken, um auch in den schier aussichtslosesten Situationen mit der schlechtesten persönlichen Ausgangslage, den aufgebauten – oft immensen – Stress kurz ruhen zu lassen, um einen klaren Gedanken zu fassen. Denn das ist eine wichtige Erkenntnis: jeder von uns verfügt nur über ein begrenztes Maß an Ressourcen und je mehr dieser Ressourcen für andere Dinge (wie in Teil eins beschrieben) verbraucht werden, umso weniger stehen uns für einsatztaktische Überlegungen zur Verfügung. Aber auch wenn in einem Moment plötzlich alle Ressourcen verbraucht sind weil wir vor der bildlichen Mauer stehen und keinen Ausweg sehen, können wir es schaffen kurz zu „ruhen“ und vielleicht sogar klar zu denken. Wie geht das?

Bleiben wir bei dem Bild mit der Mauer:

Ganz dicht vor der Mauer ist weit und breit nur Mauer – kein Ausweg ausser direkt hindurch was erstmal genauso aussichtslos erscheint.

Wir müssen einen Schritt zurücktreten, um überhaupt alles zu überblicken und alle Möglichkeiten zu sehen. Von etwas weiter weg gibt es vielleicht einen Weg daran vorbei.

Konkret für den Einsatz bedeutet das: wir brauchen eine Auszeit von den jetzt in diesem Moment auftretenden Aufgaben. Diese Auszeit muss nicht lang sein, wenige Sekunden können reichen. Und diese kurze „Pause“ hält auch der dynamischte und aktivste Einsatz aus! 

Im Rettungsdienst kennt man in zwischen regelhaft das sogenannte 10-for-10 Prinzip: ich nehme mir wenige Sekunden, um mit meinem Team die nächsten Minuten zu besprechen. 10 Sekunden Pause retten meine nächsten 10 Minuten.

Natürlich kann ich auch als Einsatzleiter eine solche Besprechung mit meinem Team anberaumen – muss ich sogar. Aber erst im zweiten Schritt. Davor steht ein Time-out mit mir selbst. Ich muss kurz einige Sekunden Pause machen und die Situation für mich selbst rekapitulieren – bildlich: einige Schritte von der Mauer weg gehen. Denn nur dann kann durch den Stress und die Reizüberflutung ausgelöste Gedankenblockaden lösen.

Wie schaffe ich dieses Vorgehen nun in einer ohnehin schon aussichtslosen und überfordernden Situation? Zunächst ist es wichtig das Problem zu kennen! Ich muss wissen, dass meine Ressourcen begrenzt sind und wenn mir etwas aussichtlos erscheint, oft nur meine Ressourcen aufgebraucht sind.

Ich muss wissen, dass ich ganz kurzfristig möglicherweise wieder freie Ressourcen schaffen kann (meine Resilienz stärken kann). Ich muss den Schritt zurück von der Mauer machen, mir ein kurzes Time-out nehmen.

Der Schritt zurück ist im übrigen nicht nur für unsere gedanklichen Ressourcen wichtig! Auch in der praktischen Einsatzsituation kann es hilfreich sein, die Lage von einigen Metern weiter hinten zu betrachten um ein größeres Blickfeld und damit einen breiten Eindruck der Einsatzstelle zu erhalten. Wir können diese Schritt zurück als sowohl mental als auch praktisch gerne durchführen und profitieren auf verschiedene Arten davon.

Und ich muss daran denken! Dieser Schritt ist gewiss der herausforderndste. Wie schaffe ich es in einer solchen Situation daran zu denken? Kurzum: Übung! Ich muss Üben mich soweit in Gewalt zu haben. Anfänglich können aber auch Gedankenstützen ein praktikables Hilfsmittel sein. Es braucht keine großen Checklisten, keine Verfahrensabläufe oder ähnliches. Es reicht ein Aufkleber oder Anhänger beispielsweise an meinem Klemmbrett mit dem Wort: Time-out. Vielleicht auch nur das Bild einer Wand! Er hilft meiner in dieser Situation überforderten Psyche als Anker. Einen solche Merkhilfe findet ihr auch auf unserem Notizblatt für Einsatzleiter (Einsatzleiternotizblatt).

Einen ganz wesentlichen Schritt habt ihr mit dem Lesen dieser beiden Blogeinträge gemacht. Ihr habt hoffentlich verstanden wo das Problem liegen kann und was ich dagegen tun kann. Schritt zwei und drei liegen bei euch: darüber nachdenken, um das Bewusstsein zu schärfen und versuchen das Ganze in Übungen und Einsätzen anzuwenden.

Natürlich ist die bloße Auszeit für den Einsatzleiter, das Zurücktreten von der Wand, nicht die Lösung aller Probleme. Ganz gewiss nicht. Die Resilienz wird – wie wir zuvor bereits erfahren haben – ebenso durch

  • euer Fachwissen (Ich muss überhaupt erstmal wissen was möglich ist um Probleme zu lösen, welche Wege es gibt!)
  • euer Team (Wie gut und vertrauensvoll arbeiten wir zusammen!) 
  • eure eigene Vorbereitung (Nicht nur auf die Resilienz, auch auf euer Einsatzgebiet und die Leistungsfähigkeit eurer Einheiten!)
  • eure Erfahrung (Dinge, die ich schon mal gesehen habe kenne ich und die beunruhigen mich weniger!)
  • euer Ressourcenmanagement und eure geistige Flexibilität (Wie wir hier besprochen haben!)
  • und viele weitere Bausteine

gestärkt.

Wenn ein Stein fehlt oder brüchig ist, dann wackelt der ganze Turm auf dem die Resilienz steht und wir können gar nicht mehr vollumfänglich resilient sein!

Übrigens: bei der Vorbereitung können kurze Merkhilfen oder Übersichtsblätter, wie ihr sie hier zum Thema Brandeinsatz oder ersteintreffendes Rettungsmittel findet helfen. Auch das kann ein Teil der Vorbereitung sein und euch manche Ressource im Einsatz sparen.

Vergesst aber nicht eure eigenen Möglichkeiten und akzeptiert, dass diese manchmal ungewollt eingeschränkt sein kann. Erkennt das für euch persönlich aber auch für andere an und versucht eine Lösung zu finden.

Klare Gedanken fassen I – Resilienz verstehen

Klare Gedanken fassen I – Resilienz verstehen

Ihr rückt aus zum Brand einer Mülltonne, zum Verkehrsunfall ohne eingeklemmte Person oder zur Türöffnung. Einsätze, die – außer sie gehören vielleicht zu den ersten zehn – euch als Einsatzleiter nicht übermäßig aus der Ruhe bringen. Doch auch solche Einsätze haben ein Potenzial weitaus mehr Stress zu produzieren als es auf den ersten Blick scheint: die Mülltonne brennt an einer Fassade und das Feuer hat bereits übergegriffen, bei dem Verkehrsunfall wurde eine Person überrollt und liegt noch unter dem PKW und die Wohnungsöffnung ist dringend, da sich hinter der Tür eine Person in einer Zwangslage befindet aber die Tür hält allen Angriffen stand. Nun sieht die Situation nicht mehr so entspannt aus oder anders formuliert: die Anforderungen an euch als Führungskraft steigen massiv an!

Noch eindeutiger ist dies, wenn von vornherein ersichtlich ist, dass es sich um ein großes und komplexes Schadensszenario handelt – bestes Beispiel: eingeschränkt Zugangswege zur Einsatzstelle und kaum Platz vor Ort um einen Einsatz aufzubauen. Hier wird binnen Sekunden ein Maximum an Kreativität vom Einsatzleiter abverlangt, um eine umsetzbare und funktionierende Lösung zu finden. Schließlich geht es in aller Regel um die Rettung von Menschen, was den Druck zusätzlich erhöht.

Darüber hinaus, das sollte man nie vergessen, steht man als Einsatzverantwortlicher immer unter einem hohen Erwartungsdruck. Diese Tatsache, wenn auch nur unterschwellig, begleitet uns im Einsatz: wir müssen und wir wollen Leistung bringen.

Um das Ganze noch perfekt zu machen schwingt grundsätzlich immer auch unsere tagesaktuelle Stimmung oder Situation mit. Konnte ich gut aufstehen, in Ruhe meinen Kaffee trinken, kurz und entspannt mit meinem Freund / meiner Freundin plaudern – also rundum entspannt in den Tag starten? Oder musste ich nach viel zur wenig Schlaf aufstehen, die Kaffeemaschine ging kaputt und der Streit mit meinem Freund / meiner Freundin setzte sich auch noch fort? Zwei völlig gegensätzliche Situationen, die aber durchaus unseren ganzen weiteren Tagesablauf und auch unsere Flexibilität und Performance im Einsatz beeinflussen können.

Diese beiden Faktoren – der Einsatz und unsere persönliche Situation – nehmen massgeblich Einfluss auf unsere Resilienz an genau diesem einen Tag!

Ein weiterer wichtiger Punkt, der direkt unsere eigene Leistung beeinflussen kann und mehr oder weniger hausgemacht ist: unser eigenes Mindset. Fahre ich mit der Einstellung zur ausgelösten Brandmeldeanlage:

„ohnehin wieder nur Falschalarm“

„Feuermeldung – bis zum Beweis des Gegenteils Feuer“

Tue ich den Einsatz – und dies geschieht gerade bei Brandmeldeanlagen, die leider häufig aus anderen Gründen als einem Feuer alarmieren, in der Praxis leicht – bereits vorher als mehr oder weniger nichtig oder sagen wir nicht-fordernd ab, trifft mich im Zweifel die Realität (in diesem Fall der Brand) härter und vor allem noch unvorbereiteter.

Kurz umrissen beschreibt Resilienz unsere geistige Widerstandsfähigkeit! Oder um es ganz konkret auf den Einsatzleiter zu beziehen: Wie gut schaffe ich es, dass der Stress, der aus verschiedenen Richtungen auf mich hereinbricht, meine Gedankengänge nicht behindert oder gar lähmt.

Das Einsatzszenario können wir, da gibt es wenig Diskussion, nicht beeinflussen. Heute habe ich Dienst, heute übernehme ich die Funktion als Einsatzleiter und genau heute werden wir zu diesem komplexen Einsatz alarmiert. Ein wichtiges Detail: die Verantwortung liegt bei uns als Einsatzleiter, trotzdem gibt es ein wir, ein Team, vergesst das niemals.

Was wir beeinflussen und vor allem ein Stückweit kontrollieren können, ist unsere persönliche Situation. Was passiert ganz bildlich gesprochen in manchen Einsatzsituationen, die uns an unsere Grenzen bringen: ich rücke aus und plötzlich taucht eine scheinbar unlösbare Situation wie eine Wand vor mir auf! Die relevante Frage in der Situation ist: wie schaffe ich es an dieser Wand vorbei hin zum Einsatzerfolg?

Möglichkeiten gibt es viele: rechts oder links daran vorbei, obendrüber, unten drunter durchgraben oder ganz brachial (und meist die schlechteste Variante) durch die Wand hindurch. Letztlich führen alle Wege zum Ziel, bloß überhaupt einen davon zu finden und unter Strich hoffentlich auch den besten liegt fast allein bei mir.

Was beeinflusst meine Möglichkeiten in solchen Situationen einen guten Weg zu finden oder dass mir genau das eben schwer fällt?

  • Ich muss wissen welche Möglichkeiten technisch, personell und in dieser Situation überhaupt praktikabel sind!
  • Ich muss wissen wie ich mein Team dazu bringe genau diesen Weg umzusetzen!
  • Ich muss die Umgebung, meine Ausstattung, alle äußeren Umstände best möglich kennen und darauf vorbereitet sein!
  • Ich muss geistig dem Stress widerstehen, um nach wie vor klare Gedanken fassen zu können und die Lösung erkennen zu können!

Viele Voraussetzungen, die auf uns als Einsatzleiter zu kommen. Was sich dahinter verbergen könnte und Möglichkeiten, um genau auf den letzten Punkt reagieren zu können erfahrt ihr in Teil zwei dieses Blogs.