Leitfaden Brandeinsatz

Eine Alarmierung zu einem gemeldeten Feuer kommt bei den meisten Feuerwehren recht häufig vor, wenngleich auch die technische Hilfeleistung fast überall das Gros der Einsätze ausmacht. Oftmals stecken ausgelöste Brandmeldeanlagen oder angebrannte Speisen und dadurch ausgelöste Heimrauchmelder hinter der Alarmierung. Echte Wohnungs-, Keller- oder Dachstuhlbrände sind relativ selten. Bei Führungslehrgängen werden diese Szenarios oft an Planübungsplatten trainiert. Dabei gehen die Teilnehmer den Führungsvorgang in aller Detailtiefe und ohne zeitlichen Druck durch, erkunden und analysieren die Lage und ermitteln so eine Lösung zur Abarbeitung der Einsatzsituation. 

In einer realen Einsatzsituation bleibt nicht die Zeit den Führungsvorgang in dieser Detailtiefe abzuarbeiten – es fehlt den meisten Führungskräften auch schlicht an der Routine und der Ruhe dafür. Entscheidungen werden dann oft „aus dem Bauch heraus“ basierend auf Erfahrungen oder intuitiv getroffen, was oftmals auch funktioniert und den gewünschten Einsatzerfolg bewirkt. Wir haben einen Leitfaden für Brandeinsätze erstellt, der Führungskräften als Hilfe und Gedankenstütze dienen soll. Der Leitfaden soll keine Alternative oder gar ein Widerspruch zum Führungsvorgang sein, vielmehr dient er als Ergänzung. Die darauf aufgeführten Stichpunkte und Inhalte sind speziell für den Brandeinsatz zugeschnitten und helfen dabei den Einsatz zu planen und nichts zu vergessen.

Der Leitfaden ist, angepasst an den Führungsvorgang, in drei Schritte aufgeteilt: 


Erkundung

Die Erkundung legt die Basis für den weiteren Einsatz. Die hier ermittelten Informationen sind die Grundlage der weiteren Entscheidungen und Maßnahmen. Die Erkundung dient dazu die vorhandenen Gefahren zu erkennen und ihre Auswirkungen abzuschätzen sowie die Zugänglichkeiten und Wege an dem Objekt zu untersuchen. Vier Leitfragen helfen dabei, die Erkundung zielgerichtet durchzuführen: 

  • Wo ist der Brand und wohin breitet er sich aus? 
  • Wo ist der Rauch und wohin breitet er sich aus? 
  • Wo sind Personen oder Tiere? 
  • Welche Zugänge und Wege gibt es?    

Analyse

Wurde die Erkundung mit mehreren Kräften durchgeführt (zum Beispiel Gruppenführer und Melder oder Zugführer und Gruppenführer) sollten nun alle beteiligten auf denselben Stand gebracht werden. Die Ergebnisse und die Eindrücke der Erkundung werden noch einmal kurz zusammengefasst und die Leitfragen beantwortet. Aus diesem Lagebild ergeben sich Stellen oder Situationen bei denen Handlungsbedarf besteht, um eine vorhandene Gefahr zu beseitigen. Oft geschieht das schon intuitiv. Zusätzlich kann und sollte das erkundete Szenario nochmal gedanklich mit der Gefahrenmatrix abgeglichen werden, um keine Gefahr zu übersehen.  

Um den weiteren Einsatz zu planen müssen diese erkannten Gefahren nun priorisiert werden (Welche Gefahr muss zuerst beseitigt werden?). Bei der Priorisierung ist ausschlaggebend welche Gefahr wie schnell welchen Schaden verursacht. Man kann sich dabei auch an dem Merksatz Was tötet wen zuerst?  orientieren. 

Die Priorisierung der Gefahren legt den Grundstein für den weiteren Einsatz und gibt vor, wo zunächst der Einsatzschwerpunkt gesetzt wird. Der gesamte Führungsvorgang kontinuierlicher Prozess, den die Führungskraft während des gesamten Einsatzes durchläuft. Genauso sollten auch die vorherrschenden Gefahren ständig neu analysiert und beurteilt werden um eine mögliche Verschiebung des Einsatzschwerpunktes frühzeitig zu erkennen. 


Planung

Der dritte Schritt ist die Planung. Nachdem die Einsatzstelle erkundet wurde und die Gefahren analysiert und nach ihrer Handlungsdringlichkeit priorisiert wurden, schließt sich nun die Planung des Einsatzes an. Der Einsatz lässt sich dabei im Wesentlichen in vier Bausteine aufteilen: 

Taktik:

Aus den Erkundungsergebnissen und der Gefahrenpriorisierung ergibt sich der Einsatzschwerpunkt und das Einsatzziel. Passend zur Lage und dem Einsatzziel wird nun die Vorgehensweise gewählt. Wird zunächst die Menschenrettung durchgeführt oder muss zuerst die Brandbekämpfung erfolgen, um die Menschenrettung überhaupt erst zu ermöglichen? Wird das Feuer zunächst von außen mittels Fensterimpuls eingedämmt um sichere Bedingungen für den Angriffstrupp zu schaffen oder lässt die bauliche Situation das nicht zu? Wird die Brandwohnung von außen über eine Leiter betreten oder klassisch über den Treppenraum?  … All diese und noch viele weitere Aspekte lassen sich unter der Vorgehensweise zusammenfassen und umschreiben in ihrer Gesamtheit das gewählte taktische Vorgehen.

Bereits in der Anfangsphase eines Einsatzes sollte schon eine Führungsstruktur bedacht und vorbereitet. Je früher mit der Aufteilung der Einsatzstelle (taktisch und/oder räumlich) begonnen wird, desto leichter und besser lässt sich bei einer aufwachsenden Einsatzstelle später eine Führungsstruktur mit verschiedenen Abschnitten etablieren. Das ersteintreffende HLF hat beispielsweise mit der Brandbekämpfung von der Straßenseite aus begonnen. Nach Absprache der beiden Fahrzeugführer übernimmt das zweite HLF die Brandbekämpfung von der Rückseite aus. Aus dieser Ausgangslage lassen sich im weiteren Verlauf des Einsatzes leicht die Einsatzabschnitte „Brandbekämpfung Straßenseite“ und „Brandbekämpfung Rückseite“ bilden. (Siehe hierzu auch den Leitfaden Abschnittsbildung) Neben der Führungsstruktur ist es ebenso essentiell eine an diese angepasste Kommunikationsstruktur zu etablieren. Die Funkskizze einer Einsatzstelle bildet immer die Führungsstruktur ab. In der Regel werden jedem Abschnitt eine Gesprächsgruppe zugewiesen, eine weitere Gruppe dient den Einsatzabschnittsleitern und der Einsatzleitung zum Austausch auf Führungsebene („Führungskanal“).  

Die Einteilung der Kräfte erfolgt nach deren Qualifikationen und Ausrüstung und wird in der Regel durch die FwDV 3vorgegeben. So ist es üblich den Angriffstrupp im Innenangriff einzusetzen, da dieser in der Regel bereits beim Eintreffen mit Atemschutz ausgerüstet ist. Manche Situationen erfordern jedoch auch ein Abweichen von den Feuerwehrdienstvorschriften.  Für eine Rettung von einem nicht verrauchten Balkon eignet sich der Schlauchtrupp beispielsweise besser als der mit Atemschutzgeräten ausgestattete Angriffstrupp, obwohl diesem gemäß FwDV 3 das Retten aufgetragen wird.

Ordnung des Raumes:

Die Ordnung des Raumes bekommt bei einem Brandeinsatz auch eine essentielle Bedeutung und ihr sollte insbesondere zu Beginn des Einsatzes eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sich Fehler bei der Fahrzeugaufstellung später wenn überhaupt nur mit viel Aufwand korrigieren lassen. Bei einem Brandeinsatz genießt die Aufstellfläche für das Hubrettungsgerät oberste Priorität. Dieses muss so aufgestellt werden, dass es möglichst alle relevanten Stellen an dem betroffenen Gebäude erreicht. Erst nachgeordnet wird die Aufstellung der weiteren Einsatzfahrzeuge berücksichtigt. Die Fahrzeugaufstellung wird so gewählt, dass die Fahrzeuge außerhalb des Gefahrenbereichs stehen, die Fahrzeuge einsatzfähig bleiben und der Einsatzauftrag bestmöglich durchgeführt werden kann.

Bei der Aufstellung von Rettungsdienstfahrzeugen, insbesondere bei RTW und KTW, muss berücksichtigt werden, dass die Fahrzeuge jederzeit und möglichst unkompliziert von der Einsatzstelle abrücken können, um beispielsweise einen Patienten zur Klinik zu transportieren. Auch Logistik- und Nachschubfahrzeuge der Feuerwehr müssen immer abfahrbereit aufgestellt werden.

Für nachrückende Einsatzkräfte sollte aus diesem Grund schon früh ein Verfügungs- oder Bereitstellungsraum eingerichtet werden. (Siehe hierzu auch Bereitstellungsraum)

Bei der Ordnung des Raumes gilt es auch die Rettungswege, Angriffswege und Ventilationswege aufeinander abzustimmen. Ein Treppenraum der als Angriffsweg benutzt und durch den dann mehrere Schlauchleitungen verlegt werden, eignet sich nur noch bedingt als Rettungsweg für die Bewohner. Die Ventilationswege müssen auf das Vorgehen des Trupps abgestimmt werden, um diese nicht zu gefährden.

Logistik:

Unter dem Überbegriff kann alles zusammengefasst werden, die im rückwärtigen Bereich zur Einsatzunterstützung dienen und auch bei der Planung berücksichtigt werden müssen. So zum Beispiel die Wasserversorgung. Ist der Fahrzeugtank des Löschfahrzeugs nicht ausreichend für den Einsatz, so muss eine Wasserversorgung aus einem Hydranten, einem Gewässer oder einem anderen Fahrzeugtank erfolgen. Für das Herstellen einer Wasserversorgung werden Einsatzkräfte, Material und eine gewisse Zeit benötigt, und das muss bei der Planung des Einsatzes bedacht werden.

Generell sollten bei jedem Einsatz ausreichend Kräfte aber auch ausreichend Reservematerial (zum Beispiel Schläuche) vorgehalten werden. Die zum einen zur Ablösung der bereits eingesetzten Kräfte dienen oder für weitere Aufgaben bereitstehen. Kräfte die aus dem Innenangriff kommen durchlaufen die Einsatzhygienemaßnahmen (siehe hierzu auch ARTE-Ablaufschema für die Einsatzhygiene). Um einen reibungslosen Ablauf der Einsatzhygiene zu ermöglichen, müssen bereits von Einsatzbeginn an Kräfte, das entsprechende Material und ein Ort für die Reinigungsmaßnahmen vorgesehen werden.

Abseits des eigentlichen Brandgeschehen sollten im Einsatzverlauf auch benachbarte Bereiche auf Verrauchung, Anreicherung mit Kohlenmonoxid oder Erwärmung kontrolliert werden. Brandgase, insbesondere Kohlenstoffmonoxid, breiten sich oft unbemerkt in Gebäuden aus und können Gefahren auch in augenscheinlich nicht betroffenen Gebäudeteilen verursachen. Aus diesem Grund sollte auch die Kontrolle benachbarter Bereiche in die Planung des Einsatzes mit aufgenommen werden.

Je nach Einsatzlage ist auch eine Abstimmung oder zumindest ein Austausch mit der Polizei erforderlich um Einsatzmaßnahmen zu planen.

Sicherheit:

Ein essentieller und prioritärer Baustein der Einsatzplanung ist die Sicherheit. Bei einem Brandeinsatz bestehen viele Gefahren, die insbesondere auch die Einsatzkräfte selbst gefährden. Die Sicherheit besitzt an der Einsatzstelle einen hohen Stellenwert um eine Gefährdung oder gar eine Schädigung der eingesetzten Feuerwehrangehörigen zu verhindern. Dabei wird Sicherheit bereist präventiv durch das Vorgehen mit der entsprechenden Schutzausrüstung erreicht. Auch die Atemschutzüberwachung dient dazu Atemschutznotfälle zu verhindern, in dem der Luftverbrauch überwacht wird.

Die Dokumentation auf der Atemschutzüberwachungstafel, wo sich welcher Trupp befindet, unterstützt im Falle eines Atemschutznotfalls die schnelle Rettung und ist, so wie der Sicherheitstrupp, eine Maßnahme die vorbereitend für den Notfall getroffen wird. Die Anzahl und Ausrüstung der Sicherheitstrupps richtet sich nach der Einsatzlage und dem Gebäude. In der Regel ist jedoch mindestens ein Sicherheitstrupp pro Gebäudezugang vorzusehen. Bei besonders komplexen Gebäuden, bei denen mit langen Anmarschwegen oder einer besonders gefährlichen Situation, beispielsweise ein ausgedehnter Kellerbrand, sollte darüber nachgedacht werden, den Sicherheitstrupp personell zu verstärken. Viele Sicherheitstruppkonzepte sehen bei ausdehnten Lagen den Einsatz einer atemschutznotfalltrainierten Staffel (ANTS) vor.

Bei Bränden oberhalb des Erdgeschosses trägt die Anleiterbereitschaft maßgeblich zur Sicherheit der eingesetzten Trupps bei und sollte sich immer in der Einsatzplanung wiederfinden. Eine vorsorglich an einem Fenster der Brandwohnung oder eine vor dem Gebäude stationierte betriebsbereite Drehleiter dient der schnellen (Selbst-)Rettung des Trupps bei einer Notsituation im Gebäude. Den eingesetzten Trupps muss das Vorhandensein und der Standort dieses Notausstieges mitgeteilt werden.

Sollte es während dem Einsatz zu einem Atemschutznotfall oder zu einem medizinischen Notfall bei den eingesetzten Kräften kommen, muss eine schnelle und möglichst professionelle Erstversorgung bereitstehen. Je nach Region wird dafür in der Regel ein Rettungswagen aus dem Regelrettungsdienst oder eine Einheit der örtlichen Hilfsorganisation mit einem KTW eingesetzt.


Diese eben beschriebenen vier Bausteine der Planung greifen ineinander und ergeben zusammen die Einsatzstellenstruktur, die Aufträge und Befehle für die eingesetzten Einheiten sowie die eventuellen Nachforderungen von Einsatzmitteln und Kräften. Die Lage muss durch eine stete Erkundung und Kontrolle permanent beobachtet werden, um die Planung anzupassen und frühzeitig auf veränderte Einsatzsituationen reagieren zu können. Der Führungsvorgang ist ein kontinuierlicher Prozess, bei Bedarf wird die Planung durch Anpassung und Ergänzung der einzelnen Bausteine angepasst.