Strukturierung von Einsatz und Einsatzleitung

Die Einsatzleitung trägt an der Einsatzstelle die Gesamtverantwortung und ist für den Einsatzerfolg verantwortlich. Bei größeren Einsatzstellen ist das eine umfangreiche Aufgabe und eine nicht zu unterschätzende Verantwortung, die dem Einsatzleiter obliegt. Wie kann man Einsatzstellen mit einer Vielzahl an Fahrzeugen und Einsatzkräften führen und leiten? Wie muss sich die Einsatzleitung aufstellen, wie muss sie die Einsatzstelle ordnen, um die den Überblick zu behalten? Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Strukturierung – sowohl die Strukturierung der Einsatzstelle als auch die der Einsatzleitung. Die Einsatzstelle mit den abzuarbeitenden Einsatzmaßnahmen, den Einsatzmitteln und den Einsatzfahrzeugen wird in verschiedene Abschnitte aufgeteilt, um überschaubare und beherrschbare Partitionen zu erhalten. Die Einsatzleitung, die bei größeren Einsatzstellen meist aus mehreren Kräften besteht, muss sich ebenfalls strukturieren, um die anfallenden Aufgaben zielgerichtet und effizient zu bewältigen.

Strukturierung des Einsatzes

Um eine umfangreiche und komplexe Einsatzlage mit den Einsatzmitteln und -kräften zu beherrschen, wird diese in kleinere (Einsatz)Abschnitte aufgeteilt. So wird das Gesamtpaket der Einsatzstelle, bestehend aus der zu bewältigenden Einsatzlage, Einsatzmitteln und Einsatzkräften, in kleinere, übersichtliche Pakte aufgeteilt. Für jeden Einsatzabschnitt wird ein Einsatzabschnittsleiter benannt, der mit der Einrichtung des Abschnitts beauftragt wird. Siehe hierzu Leitfaden Abschnittsbildung. Dem Einsatzabschnittsleiter werden zur Bewältigung der Aufgaben die benötigten Einsatzmittel und Einsatzkräfte zugeteilt. Er übernimmt die Verantwortung für die Abarbeitung der nötigen Einsatzmaßnahmen in dem Einsatzabschnitt und die Verantwortung für die zugeteilten Einheiten. Im Gegenzug werden ihm auch von der Einsatzleitung die Kompetenzen und Befugnisse erteilt in seinem Einsatzabschnitt eigenverantwortlich zu agieren.

Die Aufteilung der Einsatzlage in die verschiedenen Abschnitte kann dabei in unterschiedlichen Dimensionen der Abschnittsbildung erfolgen:

  • Räumlich: Die Einsatzlage wird dabei räumlich in verschiedene Abschnitte aufgeteilt. In dem Einsatzabschnitt werden alle notwendigen Tätigkeiten in dem zugeteilten Gebiet abgearbeitet. Diese Form der Einsatzabschnittsbildung wird häufig bei Flächenlagen und Einsatzstellen, die sich über eine große Fläche erstrecken, angewandt. Nach einem Unwetter gibt es beispielsweise im gesamten Stadtgebiet mehrere Einsatzstellen zu bearbeiten. Zur besseren Strukturierung der Einsatzstelle wird die gesamte Lage in mehrere räumliche Einsatzabschnitte aufgeteilt. (Zum Beispiel Einsatzabschnitt Nord, Einsatzabschnitt Süd und Einsatzabschnitt Mitte). In den Einsatzabschnitten werden alle Einsatzstellen abgearbeitet in dem zugeteilten Gebiet vollständig abgearbeitet.
  • Aufgabenbezogen: An einer Einsatzstelle fallen diverse Tätigkeiten an. So muss bei einem Brand neben der eigentlichen Brandbekämpfung auch die Löschwasserversorgung sichergestellt werden und möglicherweise ein Bereitstellungsraum geführt werden. Insbesondere bei Einsatzstellen die sich nicht über eine größere Fläche erstrecken (und somit die räumliche Abschnittsbildung wenig Sinn macht), bietet es sich an die Einsatzabschnitte anhand der anfallenden Aufgaben aufzuteilen. So könnte man bei einem Brandeinsatz die Abschnitte Brandbekämpfung, Löschwasserversorgung und Bereitstellungsraum bilden. Die Einsatzabschnitte sind nicht räumlich begrenzt, aber in den Tätigkeiten klar abgegrenzt. Der Einsatzabschnitt Löschwasserversorgung stellt die Löschwasserversorgung für die gesamte Einsatzstelle her, führt jedoch keinerlei Brandbekämpfungsmaßnahmen durch.
  • Organisationsbezogen: Eine seltenere Form der Abschnittsbildung ist die Aufteilung nach den verschiedenen Behörden und Organisationen. Ein häufiges Beispiel hierfür ist die Aufteilung einer Einsatzstelle in die Einsatzabschnitte Feuerwehr und Rettungsdienst. Diese Art der Abschnittsbildung bietet sich an, wenn an einer Einsatzstelle verschiedene Organisationen zusammenarbeiten, die eigene Tätigkeitsbereiche haben. Oftmals verfügen die verschiedenen Organisationen auch nicht über die benötigten Kommunikationsverbindungen untereinander (nicht alle Organisationen können dieselben Gruppen schalten) und die Kenntnisse über das Vorgehen und das Leistungsspektrum der anderen Organisationen. In diesem Fall ist es eine probate Lösung alle Kräfte einer Organisation in einem Abschnitt zusammenzufassen, man muss jedoch bedenken, dass dann eine Aufgabe möglicherweise in mehreren Abschnitten bearbeitet wird. So könnte es beispielsweise bei einem Hochwassereinsatz sein, dass sowohl bei dem Füllen von Sandsäcken als auch beim Deichverbau Einsatzkräfte aus dem Einsatzabschnitt THW und dem Einsatzabschnitt Feuerwehr tätig sind. Hier ist zwischen den beiden Einsatzabschnittsleitern dann eine enge Absprache nötig, um die Kräfte zu koordinieren. Aus diesem Grund macht diese Form der Abschnittsbildung nur in ausgewählten Einsatzsituationen Sinn und sollte stets kritisch geprüft werden.

  • Kombiniert: Die am häufigsten vorkommende Form der Abschnittsbildung ist eine Kombination aus den oben genannten Dimensionen. Denn selten lässt sich eine komplette Einsatzstelle sinnvoll und problemlos räumlich, aufgabenbezogen oder organisationsbezogen aufteilen. Werden bei der oben beschriebenen Flächenlage nach einem Unwetter beispielsweise Logistikfahrzeuge eingesetzt, die in dem Einsatzgebiet Sandsäcke oder Gerätschaften verteilen, müssten diese bei einer strikten räumlichen Abschnittsbildung ständig neuen Einsatzabschnitten zugeordnet werden, je nachdem in welchem Stadtteil sie unterwegs sind. In diesen Fall macht es Sinn einen eigenen Einsatzabschnitt Logistik zu etablieren, dem diese Fahrzeuge zugeordnet werden. Dieser Einsatzabschnitt nimmt den übrigen Einsatzabschnitten dann diese definierten Logistikaufgaben ab, ist im Gegenzug aber im gesamten Einsatzgebiet tätig. Bei einem Brandeinsatz, bei dem das THW die Löscharbeiten unterstützt, kann es Sinn machen neben den bestehenden Einsatzabschnitten Brandbekämpfung, Löschwasserversorgung und Bereitstellungsraum auch einen weiteren Einsatzabschnitt THW zu bilden. Die Einsatzkräfte des THW können dann trotzdem in allen bestehenden Einsatzabschnitten eingesetzt werden. Sie werden separat geführt, weil beispielsweise die Kommunikation zwischen THW und Feuerwehr nicht ausreichend sichergestellt werden kann.

Die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Einsatzabschnitten müssen genau definiert und kommuniziert werden. Bis wohin genau geht der Einsatzabschnitt Süd, Welche Aufgaben hat der Einsatzabschnitt Löschwasserversorgung? Damit es an der Einsatzstelle keine Missverständnisse zwischen den Abschnitten gibt und alle Aufgaben bearbeitet werden können, müssen diese Schnittstellen festgelegt werden. Allen Beteiligten Führungskräften muss klar sein, welche Zuständigkeiten und welche Aufgaben sie in ihrem Einsatzabschnitt haben, welche Aufgaben von anderen Einsatzabschnitten erbracht werden und welche Kräfte und Fahrzeugen ihn unterstellt sind. Auch die Kommunikationswege müssen geplant werden. Sinnvoll ist es zweifelsohne jedem Einsatzabschnitt eine eigene Funkgruppe zuzuordnen (TMO oder DMO nach Aufgabe und räumlicher Ausdehnung des Abschnitts), eine weitere Funkgruppe sollte für die Kommunikation der Einsatzabschnittsleiter und der Einsatzleitung untereinander vorgesehen werden. Diese Funkgruppen und der jeweilige Ansprechpartner müssen den einzelnen Fahrzeugen und Kräften bei der Zuteilung in den jeweiligen Einsatzabschnitt mitgeteilt werden.


Strukturierung der Einsatzleitung

Die oben beschriebene Aufteilung der Einsatzstelle sorgt für Ordnung und Struktur der eingesetzten Kräfte. Die Einsatzleitung trägt jedoch nach wie vor die Gesamtverantwortung für den Einsatz. Mit dem Wachsen der Einsatzstelle werden auch die Aufgaben der Einsatzleitung umfangreicher und aufwendiger, wenngleich auch die operativen Entscheidungen auf unterer Ebene durch die Einsatzabschnittsleiter getroffen werden. Die Einsatzleitung ist mit Wachsen der Einsatzstelle zunehmend mit administrativen Aufgaben konfrontiert und trifft zunehmend Entscheidungen auf taktischer und strategischer Ebene. Das Aufgabespektrum der Einsatzleitung verlagert sich zwar etwas, nimmt aber auch bei größeren Einsatzstellen stets zu. Daher kommt auch die Einsatzleitung nicht umhin sich personell entsprechend aufzustellen und zu strukturieren.

In der FwDV 100 werden verschiedene Führungsstufen definiert und ihrer Größe nach mit A, B, C oder D bezeichnet. Bei der Führungsstufe A spricht die FwDV 100 von dem Führen ohne Führungseinheit. Der Einsatzleiter führt ohne Hilfspersonal und Führungsassistenten eine Einsatzstelle mit bis zu 2 Gruppen. Ihm steht dabei die Leitstelle als rückwärtige Führungseinrichtung unterstützend zur Seite. In der nächsthöheren Stufe – der Führungsstufe B – führt ein Führungstrupp oder eine Führungsstaffel eine etwas größere Einsatzstelle mit erweiterter Zugstärke. Die Führungsstufe C beschreibt den Einsatz einer Führungsgruppe zum Führen eines Verbandes, die Führungsstufe D ist dann der Einsatz eines Führungsstabes zum Leiten von Großschadenslagen.

Wie organisiert man nun die Einsatzleitung, wie verteilt man die Aufgaben in der Führungsstaffel oder dem Führungstrupp? Wer darf was entscheiden? Wie sind die Kommunikationswege innerhalb der Einsatzleitung. Ähnlich wie bei der oben beschriebenen Abschnittsbildung zur Strukturierung der Einsatzlage gibt es auch bei der Einsatzleitung verschiedene Ansätze um eine Struktur zu schaffen:

  • Einsatzleiter mit Führungsunterstützungspersonal: Die Einsatzleitung teilt sich auf in einen Einsatzleiter und einen oder mehrere Führungsassistenten. Der Einsatzleiter hat die alleinige Verantwortung und trifft alle Entscheidungen selbst. Er ist in alle Vorgänge und Prozesse der Einsatzleitung involviert. Die Führungsassistenten unterstützen ihn dabei, indem sie ihm die Nachrichtenübermittlung und Kommunikation abnehmen, eine Lagekarte führen und ihm so stets ein aktuelles Lagebild zu Verfügung stellen oder bei der Dokumentation des Einsatzes unterstützen. Andere Einsatzmöglichkeiten sind Erkundungsaufträge, Übermittlung von Einsatzaufträgen und Absprachen mit Dritten. Das Führungsunterstützungspersonal arbeitet stets daran, dem Einsatzleiter Informationen zu beschaffen, darzustellen oder aufzubereiten um ihm die Entscheidung zu vereinfachen und vorzubereiten. Dieser Ansatz eignet sich vor allem für kleinere Einsatzlagen mit überschaubarer Arbeitsbelastung der Einsatzleitung. Vorteil an dieser Variante ist die Personalanforderung. Die Führungsassistenten müssen nicht zwingend ausgebildete Führungskräfte sein, wenngleich das natürlich zu bevorzugen ist.
  • Administrativer und operativer Einsatzleiter: Eine andere Möglichkeit ist die Aufteilung in einen operativen und einen administrativen Einsatzleiter. Neben den operativen Aufgaben der Einsatzleitung, wie das vergeben von Einsatzaufträgen, das Treffen von taktischen Entscheidungen und das Setzen von Einsatzschwerpunkten, gibt es ebenso viele administrative Aufgaben zu bewältigen. Dazu zählt das Absetzen von Lagemeldungen, die Absprache mit anderen Hilfsorganisationen und die Kommunikation mit anrückenden Kräften. Die Einsatzleitung lässt sich gut auch in diese beiden Ebenen aufteilen. Der administrative Einsatzleiter koordiniert alle rückwärtigen Maßnahmen und unterstützt den operativen Einsatzleiter, der alle Maßnahmen zur direkten Schadensbekämpfung führt. Oftmals wird es so gehandhabt, dass der administrative Einsatzleiter (formal) die Gesamtverantwortung trägt und mit der gelben Weste als Einsatzleiter gekennzeichnet wird, der operative Einsatzleiter trägt dann die Kennzeichnung der untergeordneten Führungsebene (zum Beispiel Zugführer). Praktisch bilden beide gemeinsam die Einsatzleitung und agieren auf Augenhöhe.

  • Führungsstab: Bei Großschadenslagen, bei denen ein einzelner Einsatzleiter mit dem Umfang der zu koordinierenden Maßnahmen überfordert wäre. Dem Einsatzleiter als Leiter des Stabes stehen mehrere Führungskräfte beiseite. Die Aufgaben der Einsatzleitung werden in verschiedene Sachgebiete aufgeteilt, die Sachgebiete werden jeweils durch eine Führungskraft geleitet. Je nach Lage stehen den Sachgebieten noch ein oder mehrere Sachbearbeiter zur Verfügung, die administrative Aufgaben erledigen. Die Sachgebiete erhalten die Befugnis Entscheidungen und Maßnahmen bis zu einem gewissen Grad selbstständig zu entscheiden und entlasten somit den Einsatzleiter, der dadurch mehr eine überwachende und beratende Funktion bekommt. Die Sachgebiete und deren Aufgaben sind im Einzelnen:
    • S1 – Personal und innerer Dienst: Benötigte Einsatzkräfte bereitstellen und Arbeitsfähigkeit des Stabes sicherstellen
    • S2 – Lage: Feststellung, Darstellung sowie Dokumentation der Lage und Information anderer Stellen über die Lageentwicklung
    • S3 – Einsatz: Strukturierung des Einsatzes, Festlegen von Einsatzschwerpunkten, Erteilen von Befehlen, Absprache mit anderen Stellen
    • S4 – Versorgung: Organisation und Bereitstellung von Versorgung für die Einsatzkräfte, Hilfsmitteln und Verbrauchsgütern
    • S5 – Presse- und Medienarbeit (optional): Koordination und Betreuung von Medienvertretern, Information von Medien und Bevölkerung
    • S6 – Informations- und Kommunikationswesen (optional): Planung und Durchführung von Kommunikationswegen und -abläufen.

  • Mini-Stab: Als Zwischenstufe zwischen den beiden erstgenannten Varianten und dem Führungsstab ist der sogenannte Mini-Stab eine praktikable Lösung für größere Einsatzstellen, die noch nicht stabsmäßig geführt werden. Die Einsatzleitung besteht aus einem gesamtverantwortlichen Einsatzleiter und zwei weiteren Führungskräften – es empfiehlt sich hierfür Zug- oder Verbandführer einzusetzen. Die anfallenden Aufgaben der Einsatzleitung werden dabei gemäß den oben beschriebenen Sachgebieten aufgeteilt und durch die beiden Zugführer bearbeitet. Einer der beiden Zugführer übernimmt die Sachgebiete S1 und S4, er koordiniert und organisiert Einsatzkräfte, Versorgung Hilfsmittel und Verbrauchsgüter. Der andere Zugführer bekleidet die Sachgebiete S2 und S3. Das heißt er ermittelt ständig ein aktuelles Lagebild, informiert andere Stelle darüber und legt anhand dessen Einsatzschwerpunkte fest, erteilt Befehle und trifft Absprachen. Der übergeordnete Einsatzleiter legt das Einsatzziel fest, überwacht und berät die beiden Führungskräfte. Es empfiehlt sich – zumindest bei umfangreichen Einsatzstellen – der Einsatzleitung noch weitere Führungsassistenten zuzuordnen, die bei der Kommunikation, Dokumentation und Lagedarstellung unterstützen und zuarbeiten.