Leitfaden Vegetationsbrand

Ein Vegetationsbrand ist ein Einsatzstichwort, dass sich in den letzten Jahren immer größerer Beachtung erfreut. Zum einen nehmen solchen Einsatzszenarien aufgrund der klimatischen Veränderungen auch in den heimischen Regionen merklich zu, zum anderen werden Taktik und Technik der Vegetationsbrandbekämpfung immer weitläufiger und spezialisierter ausgebildet und diskutiert. Viele Feuerwehren schenken der Thematik erfreulicherweise immer mehr Aufmerksamkeit, beschaffen spezielle Ausrüstung und besuchen gesonderte Fortbildungsveranstaltungen. Diese Kurse und Seminare, wie man sie beispielsweise bei https://www.at-fire.de/ buchen kann, bieten eine umfassende Betrachtung des Themas. Unabhängig davon wollen wir mit diesem Leitfaden einen Überblick aus Sicht einer Führungskraft bieten und auf die Besonderheiten eines Vegetationsbrandeinsatzes hinweisen.

Erkundung

Die Erkundung bei einem Vegetationsbrand unterscheidet sich in vielen Punkten deutlich von der Erkundung bei einem klassischen Gebäudebrand. Dies liegt zum einen in der Eigenheit eines Vegetationsbrandes begründet als auch an den in Frage kommenden Techniken und Taktiken zur Brandbekämpfung.

In aller Regel ereignen sich Vegetationsbrände abseits bebauten Gebietes. Teilweise befinden sich Einsatzstellen fernab befestigter Wege mitten in Wald oder Feld und für die Einsatzkräfte nur schwer zu erreichen. Aus diesem Grund ist die genaue Örtlichkeit sowie die Zugänglichkeit zur Einsatzstelle bereits die erste Herausforderung für den Einsatzleiter. Nicht selten müssen Einsatzstellen erst aufwendig gesucht werden oder können nur zu Fuß erreicht werden. Wer kann sollte hier bereits die Erkundung aus der Luft in Erwägung ziehen. Sei es durch eine Drohne, per Hubschrauber oder auch aus dem Korb einer ausgefahrenen Drehleiter.

An der Einsatzstelle stellt sich dann die Frage, was dort genau brennt, und wie weit sich der Brand bereits ausgebreitet hat, denn davon hängt entscheidend ab welches Potential und welche Gefahren der Brand birgt, auf welche Objekte oder Gebiete er überzugreifen droht. Ein Stoppelacker beispielsweise, auf dem das gepresste Stroh bereits abtransportiert wurde bietet vergleichsweise wenig Brandpotential. Ein Acker auf dem noch das reife Getreide steht, birgt eine deutliche höhere Intensität. Ein Wald, der zum überwiegenden Teil aus Nadelhölzern besteht birgt mehr Brandpotential und eine höhere Dynamik als ein reiner Laubwald.

Viel mehr als bei klassischen Wohnungsbrand sind auch Wetter und die Topographie der Einsatzstelle entscheidend. Der Wind ist eine wichtige Größe, der unbedingt Beachtung geschenkt werden sollte. Ein Feuer auf freier Fläche bietet dem Wind sehr viel Angriffsfläche. Dieser kann dafür sorgen, dass sich der Brand innerhalb von Sekunden komplett in eine andere Richtung bewegt oder enorm angefacht wird. Der Luftdruck und die allegmeine Wetterlage haben Einfluss auf die Rauchausbreitung, kann der Rauch gut abziehen oder bleibt er in Bodennähe. Auch die Topographie beeinflusst die Dynamik und das Potential eines Vegetationsbrandes. Erreicht der Brand eine Steigung, so wird er sich hier deutlich schneller ausbreiten als in der Ebene. Generell wird sich der Brand stets deutlich schneller und intensiver bergauf ausbreiten als bergab oder in der Ebene.

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die Löschwasserversorgung. An den wenigsten Einsatzstellen wird sich eine Löschwasserversorgung im Sinne eines Hydrantennetzes befinden. Oft muss das Löschwasser an der Einsatzstelle aus einem offenen Gewässer entnommen werden, mittels Pendelverkehr oder über eine Förderstrecke zum Einsatzort befördert werden. Die Löschwasserversorgung sollte bereits in der Erkundung berücksichtigt werden, denn sie ist für die Planung des Einsatzes ein wesentlicher Bestandteil


Analyse

Wie auch bei anderen Einsätzen geht es bei der Analyse um das Identifizieren, Bewerten und letztendlich um das Priorisieren von Gefahren. Insbesondere bei Vegetationsbränden muss hier kritisch überlegt werden, welche Werte hier überhaupt geschützt werden sollen und um welchen Preis das geschehen soll.


Planung

Auch bei einem Vegetationsbrand lässt sich die Planung des Einsatzes in vier Punkte aufteilen:

Taktik:

Die Erkenntnisse aus der Analyse fließen maßgeblich in die zu wählende Taktik ein. Welche Gefahren sollen bekämpft werden, welche Werte sollen überhaupt geschützt werden. Mit den Erkentnissen aus der Erkundung kann dann die grundlegende Einsatztaktik gewählt werden. Soll und kann der Brand offensiv bekämpft werden, in dem man gegen die Ausbreitungsrichtung angreift oder wählt man einen defensiven Ansatz, bei dem den Brand „von hinten“ und in Ausbreitungsrichtung bekämpft wird? Oder versucht man den Brand durch Brandschneisen oder Riegelstellung an einer bestimmten Linie zu stoppen? Für die Wahl der Taktik dürfte vor allem die Dynamik des Brandes und die Flammenhöhe ausschlaggeben sein. Landläufig geht man davon aus, einen Brand bis zu einer Flammenhöhe von etwa 1,5m noch frontal, offensiv bekämpfen zu können.

Nach der Auswahl der Taktik stellt sich die Frage des Vorgehens und des Werkzeuges. So muss sich der Einsatzleiter beispielsweise entscheiden ob er ein Löschangriff mit Strahlrohren wählt, ob er mit Feuerpatschen und Rückspritze vorgeht oder ob er mit einem Löschfahrzeug und der Pump-and-Roll Funktion am Feuersaum entlangfährt. Egal welche Variante Anwendung findet, es empfiehlt sich immer bei einem defensiven Angriff den Brand in Ausbreitungsrichtung entlang des Saums in Richtung der Front zu bekämpfen. Der Angriff sollte dabei immer von einem sicheren Punkt aus starten, um zu verhindern, dass sich das Feuer im Rücken der Einsatzkräfte ausbreitet. Bei der Auswahl der Technik spielen insbesondere Löschwasserverbrauch und Löschvermögen eine wichtige Rolle. Aber auch die Beweglichkeit mit dem Löschgerät ist ein entscheidendes Kriterium zur Auswahl. Zur besseren Einordnung der verschiedenen Werkzeuge führen wir hier beispielhaft einige Werkzeuge mit ihren Eigenschaften auf:

  • Feuerpatsche | Flammen bis etwa Hüfthöhe | kein Löschwasserverbrauch | hohe Beweglichkeit
  • Kübelspritze oder Rückenspritze | Flammen bis etwa Hüfthöhe | geringer Löschwasserverbrauch | hohe Beweglichkeit
  • D-Strahlrohr | Flammen bis etwa Körpergröße | 25-50l Wasser pro Minute | eingeschränkte Beweglichkeit
  • C-Strahlrohr | Flammen bis etwa 3,5m | 100-200l Wasser pro Minute | stark eingeschränkte Beweglichkeit

Wie auch bei der Erkundung kann auch bei der Brandbekämpfung eine Unterstützung aus der Luft, mittels Hubschrauber eine sinnvolle Ergänzung sein. Das gilt insbesondere, wenn die Einsatzstelle nur schwer zu erreichen ist.

Die Führungsstruktur bei einem Vegetationsbrand sollte sich an den örtlichen Gegebenheiten und der gewählten Einsatztaktik orientieren. Hierzu siehe auch Leitfaden Abschnittsbildung.

Ordnung des Raumes:

Ein besonderes Augenmerk gehört bei einem Flächenbrand der Fahrzeugaufstellung sowie den An- und Abfahrtswegen. Vegetationsbrände ereignen sich sehr häufig außerhalb bebauter Ortschaften. Dementsprechend muss die Zufahrt zu diesen über schmale, oft unbefestigte Wege oder gar querfeldein über Wiesen und Äcker erfolgen. Bei der Fahrzeugaufstellung an der Einsatzstelle muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Einsatzfahrzeuge einsatzfähig bleiben und ungehindert wieder vorwärts die Einsatzstelle verlassen können. Es muss unbedingt vermieden werden, dass sich Einsatzfahrzeuge gegenseitig blockieren oder behindern. Im Zweifelsfall muss die Einsatzstelle rückwärts angefahren werden, wenn vor Ort keine Wendemöglichkeit besteht. Nur so ist sichergestellt, dass im Falle einer unerwartet raschen Brandausbreitung eine Flucht möglich ist.

Gleiches gilt für die An- und Abfahrtswege. Hier muss darauf geachtet werden, dass sich Einsatzfahrzeuge nicht auf schmalen Wegen entgegenkommen, auf denen sich die Fahrzeuge nicht gegenseitig ausweichen können. Muss die Einsatzstelle im Einsatzverlauf immer wieder angefahren werden, beispielsweise wenn ein Pendelverkehr zur Löschwasserversorgung eingerichtet wird, müssen die An- und Abfahrtswege genau geplant werden. Hier bietet sich eine Einbahnstraßenregelung an. Für fremde ortsunkundige Kräfte müssen die An- und Abfahrtswege markiert werden oder mit entsprechenden Lotsen und Einweisern versehen werden.

Durch die Einrichtung von einem oder mehreren Bereitstellungsräumen wird ein unkontrolliertes Zufahren der Einsatzstelle vermieden. Die Bereitstellungsräume sollten sich in ausreichender Entfernung der Einsatzstelle befinden, über ausreichend Stellfläche verfügen und sollten vor allem so gelegen sein, dass von dort alle Anfahrtswege zu der Einsatzstelle ohne Rangieren erreicht werden können. Siehe hierzu auch unseren Beitrag zum Bereitstellungsraum.

Logistik:

Die Logistik ist auch bei einem Vegetationsbrand ein nicht zu vernachlässigender Baustein der Einsatzplanung. Größte Herausforderung dürfte hier die Löschwasserversorgung der Einsatzstelle sein. Das Löschwasser muss oft über weite Strecken zur Brandstelle transportiert werden. Ob hierzu eine Förderstrecke aufgebaut wird oder man sich für einen Pendelverkehr entscheidet, hängt maßgeblich von den Gegebenheiten vor Ort ab. So sind die benötigte Wassermenge, die zur Verfügung stehenden Wasserentnahmestellen, die Entfernung zu diesen, die verfügbaren Einsatzmittel und die Anfahrtsmöglichkeiten zur Brandstelle wichtige Aspekte bei der Planung der Löschwasserversorgung.

Auch die Ablöse der Einsatzkräfte sollte bei einem Vegetationsbrand frühzeitig in Betracht gezogen werden. Hohe Temperaturen in den Sommermonaten sowie anstrengende Tätigkeiten belasten die Einsatzkräfte enorm und führen schnell zur Erschöpfung. Eine Ablösung ist oftmals schon nach wenigen Stunden erforderlich und sollte früh mit in die Planung einbezogen werden. Die Versorgung der Kräfte mit Getränken und Verpflegung muss auch frühzeitig bedacht werden, empfehlenswert ist es, mindestens für die Anfangsphase Getränke und Verpflegung auf dem jeweiligen Fahrzeug mitzuführen.

Sicherheit:

In der Presse sind immer wieder Berichte zu finden von abgebrannten Feuerwehrfahrzeugen oder sich rasant ausbreitenden Flächenbrände die Einsatzkräfte gefährdeten. Die zeigt, dass Vegetationsbrände ein enormes Gefahrenpotential haben, bei entsprechender Vegetation oder starken Winden können sich solche Feuer rasant ausbreiten. Ein besonderes Augenmerk sollte bei der Einsatzplanung deshalb der Sicherheit gelten.

Der Löschangriff sollte nach Möglichkeit immer aus einem sicheren Bereich heraus gestartet werden. Das kann zum Beispiel ein befestigter Weg oder eine bereits abgebrannte Fläche eines Stoppelackers sein. Sollte sich der Brand unerwartet schnell ausbreiten, können sich die Einsatzkräfte immer dorthin zurückkehren. Bei Einsatzstellen in Wäldern oder großen Feldern und Wiesen lässt es sich nicht vermeiden mit Fahrzeugen in die Vegetation hinein zu fahren. Hier sollten dann im Vorfeld Fluchtwege erkundet werden um sich bei Bedarf mit Fahrzeug und Mannschaft unverzüglich aus dem gefährdeten Bereich zu entfernen. Als letzte Instanz sollte in den Tanks der Löschfahrzeuge zum Eigenschutz immer eine Reserve von 300-400l vorgehalten werden.

Um die Einsatzkräfte bei der enormen thermischen Belastung nicht zusätzlich zu gefährden sollte bei einem Vegetationsbrand immer eine angepasste Schutzkleidung getragen werden. Die Feuerschutzkleidung für den Innenangriff ist hier aufgrund der zusätzlichen thermischen Belastung ungeeignet, viel mehr empfiehlt es sich eine dünne und leichte, extra für Vegetationsbrände konzipierte Schutzkleidung zu tragen.

Ebenso ist sehr kritisch zu prüfen ob Atemschutz wirklich erforderlich ist, nur in sehr seltenen Fällen dürfte Atemschutz tatsächlich erforderlich sein und einen Mehrwert für die Sicherheit der Einsatzkräfte bieten.