Das wichtigste (oder vielleicht auch enttäuschenst) zuerst: wir können Resilienz nicht von heute auf morgen besitzen. Wir können sie nur Stück für Stück stärken und verbessern.
Es gibt Techniken, um auch in den schier aussichtslosesten Situationen mit der schlechtesten persönlichen Ausgangslage, den aufgebauten – oft immensen – Stress kurz ruhen zu lassen, um einen klaren Gedanken zu fassen. Denn das ist eine wichtige Erkenntnis: jeder von uns verfügt nur über ein begrenztes Maß an Ressourcen und je mehr dieser Ressourcen für andere Dinge (wie in Teil eins beschrieben) verbraucht werden, umso weniger stehen uns für einsatztaktische Überlegungen zur Verfügung. Aber auch wenn in einem Moment plötzlich alle Ressourcen verbraucht sind weil wir vor der bildlichen Mauer stehen und keinen Ausweg sehen, können wir es schaffen kurz zu „ruhen“ und vielleicht sogar klar zu denken. Wie geht das?
Bleiben wir bei dem Bild mit der Mauer:
Ganz dicht vor der Mauer ist weit und breit nur Mauer – kein Ausweg ausser direkt hindurch was erstmal genauso aussichtslos erscheint.
Wir müssen einen Schritt zurücktreten, um überhaupt alles zu überblicken und alle Möglichkeiten zu sehen. Von etwas weiter weg gibt es vielleicht einen Weg daran vorbei.
Konkret für den Einsatz bedeutet das: wir brauchen eine Auszeit von den jetzt in diesem Moment auftretenden Aufgaben. Diese Auszeit muss nicht lang sein, wenige Sekunden können reichen. Und diese kurze „Pause“ hält auch der dynamischte und aktivste Einsatz aus!
Im Rettungsdienst kennt man in zwischen regelhaft das sogenannte 10-for-10 Prinzip: ich nehme mir wenige Sekunden, um mit meinem Team die nächsten Minuten zu besprechen. 10 Sekunden Pause retten meine nächsten 10 Minuten.
Natürlich kann ich auch als Einsatzleiter eine solche Besprechung mit meinem Team anberaumen – muss ich sogar. Aber erst im zweiten Schritt. Davor steht ein Time-out mit mir selbst. Ich muss kurz einige Sekunden Pause machen und die Situation für mich selbst rekapitulieren – bildlich: einige Schritte von der Mauer weg gehen. Denn nur dann kann durch den Stress und die Reizüberflutung ausgelöste Gedankenblockaden lösen.
Wie schaffe ich dieses Vorgehen nun in einer ohnehin schon aussichtslosen und überfordernden Situation? Zunächst ist es wichtig das Problem zu kennen! Ich muss wissen, dass meine Ressourcen begrenzt sind und wenn mir etwas aussichtlos erscheint, oft nur meine Ressourcen aufgebraucht sind.
Ich muss wissen, dass ich ganz kurzfristig möglicherweise wieder freie Ressourcen schaffen kann (meine Resilienz stärken kann). Ich muss den Schritt zurück von der Mauer machen, mir ein kurzes Time-out nehmen.
Der Schritt zurück ist im übrigen nicht nur für unsere gedanklichen Ressourcen wichtig! Auch in der praktischen Einsatzsituation kann es hilfreich sein, die Lage von einigen Metern weiter hinten zu betrachten um ein größeres Blickfeld und damit einen breiten Eindruck der Einsatzstelle zu erhalten. Wir können diese Schritt zurück als sowohl mental als auch praktisch gerne durchführen und profitieren auf verschiedene Arten davon.
Und ich muss daran denken! Dieser Schritt ist gewiss der herausforderndste. Wie schaffe ich es in einer solchen Situation daran zu denken? Kurzum: Übung! Ich muss Üben mich soweit in Gewalt zu haben. Anfänglich können aber auch Gedankenstützen ein praktikables Hilfsmittel sein. Es braucht keine großen Checklisten, keine Verfahrensabläufe oder ähnliches. Es reicht ein Aufkleber oder Anhänger beispielsweise an meinem Klemmbrett mit dem Wort: Time-out. Vielleicht auch nur das Bild einer Wand! Er hilft meiner in dieser Situation überforderten Psyche als Anker. Einen solche Merkhilfe findet ihr auch auf unserem Notizblatt für Einsatzleiter (Einsatzleiternotizblatt).
Einen ganz wesentlichen Schritt habt ihr mit dem Lesen dieser beiden Blogeinträge gemacht. Ihr habt hoffentlich verstanden wo das Problem liegen kann und was ich dagegen tun kann. Schritt zwei und drei liegen bei euch: darüber nachdenken, um das Bewusstsein zu schärfen und versuchen das Ganze in Übungen und Einsätzen anzuwenden.
Natürlich ist die bloße Auszeit für den Einsatzleiter, das Zurücktreten von der Wand, nicht die Lösung aller Probleme. Ganz gewiss nicht. Die Resilienz wird – wie wir zuvor bereits erfahren haben – ebenso durch
- euer Fachwissen (Ich muss überhaupt erstmal wissen was möglich ist um Probleme zu lösen, welche Wege es gibt!)
- euer Team (Wie gut und vertrauensvoll arbeiten wir zusammen!)
- eure eigene Vorbereitung (Nicht nur auf die Resilienz, auch auf euer Einsatzgebiet und die Leistungsfähigkeit eurer Einheiten!)
- eure Erfahrung (Dinge, die ich schon mal gesehen habe kenne ich und die beunruhigen mich weniger!)
- euer Ressourcenmanagement und eure geistige Flexibilität (Wie wir hier besprochen haben!)
- und viele weitere Bausteine
gestärkt.
Übrigens: bei der Vorbereitung können kurze Merkhilfen oder Übersichtsblätter, wie ihr sie hier zum Thema Brandeinsatz oder ersteintreffendes Rettungsmittel findet helfen. Auch das kann ein Teil der Vorbereitung sein und euch manche Ressource im Einsatz sparen.
Vergesst aber nicht eure eigenen Möglichkeiten und akzeptiert, dass diese manchmal ungewollt eingeschränkt sein kann. Erkennt das für euch persönlich aber auch für andere an und versucht eine Lösung zu finden.