Klare Gedanken fassen I – Resilienz verstehen

Ihr rückt aus zum Brand einer Mülltonne, zum Verkehrsunfall ohne eingeklemmte Person oder zur Türöffnung. Einsätze, die – außer sie gehören vielleicht zu den ersten zehn – euch als Einsatzleiter nicht übermäßig aus der Ruhe bringen. Doch auch solche Einsätze haben ein Potenzial weitaus mehr Stress zu produzieren als es auf den ersten Blick scheint: die Mülltonne brennt an einer Fassade und das Feuer hat bereits übergegriffen, bei dem Verkehrsunfall wurde eine Person überrollt und liegt noch unter dem PKW und die Wohnungsöffnung ist dringend, da sich hinter der Tür eine Person in einer Zwangslage befindet aber die Tür hält allen Angriffen stand. Nun sieht die Situation nicht mehr so entspannt aus oder anders formuliert: die Anforderungen an euch als Führungskraft steigen massiv an!

Noch eindeutiger ist dies, wenn von vornherein ersichtlich ist, dass es sich um ein großes und komplexes Schadensszenario handelt – bestes Beispiel: eingeschränkt Zugangswege zur Einsatzstelle und kaum Platz vor Ort um einen Einsatz aufzubauen. Hier wird binnen Sekunden ein Maximum an Kreativität vom Einsatzleiter abverlangt, um eine umsetzbare und funktionierende Lösung zu finden. Schließlich geht es in aller Regel um die Rettung von Menschen, was den Druck zusätzlich erhöht.

Darüber hinaus, das sollte man nie vergessen, steht man als Einsatzverantwortlicher immer unter einem hohen Erwartungsdruck. Diese Tatsache, wenn auch nur unterschwellig, begleitet uns im Einsatz: wir müssen und wir wollen Leistung bringen.

Um das Ganze noch perfekt zu machen schwingt grundsätzlich immer auch unsere tagesaktuelle Stimmung oder Situation mit. Konnte ich gut aufstehen, in Ruhe meinen Kaffee trinken, kurz und entspannt mit meinem Freund / meiner Freundin plaudern – also rundum entspannt in den Tag starten? Oder musste ich nach viel zur wenig Schlaf aufstehen, die Kaffeemaschine ging kaputt und der Streit mit meinem Freund / meiner Freundin setzte sich auch noch fort? Zwei völlig gegensätzliche Situationen, die aber durchaus unseren ganzen weiteren Tagesablauf und auch unsere Flexibilität und Performance im Einsatz beeinflussen können.

Diese beiden Faktoren – der Einsatz und unsere persönliche Situation – nehmen massgeblich Einfluss auf unsere Resilienz an genau diesem einen Tag!

Ein weiterer wichtiger Punkt, der direkt unsere eigene Leistung beeinflussen kann und mehr oder weniger hausgemacht ist: unser eigenes Mindset. Fahre ich mit der Einstellung zur ausgelösten Brandmeldeanlage:

„ohnehin wieder nur Falschalarm“

„Feuermeldung – bis zum Beweis des Gegenteils Feuer“

Tue ich den Einsatz – und dies geschieht gerade bei Brandmeldeanlagen, die leider häufig aus anderen Gründen als einem Feuer alarmieren, in der Praxis leicht – bereits vorher als mehr oder weniger nichtig oder sagen wir nicht-fordernd ab, trifft mich im Zweifel die Realität (in diesem Fall der Brand) härter und vor allem noch unvorbereiteter.

Kurz umrissen beschreibt Resilienz unsere geistige Widerstandsfähigkeit! Oder um es ganz konkret auf den Einsatzleiter zu beziehen: Wie gut schaffe ich es, dass der Stress, der aus verschiedenen Richtungen auf mich hereinbricht, meine Gedankengänge nicht behindert oder gar lähmt.

Das Einsatzszenario können wir, da gibt es wenig Diskussion, nicht beeinflussen. Heute habe ich Dienst, heute übernehme ich die Funktion als Einsatzleiter und genau heute werden wir zu diesem komplexen Einsatz alarmiert. Ein wichtiges Detail: die Verantwortung liegt bei uns als Einsatzleiter, trotzdem gibt es ein wir, ein Team, vergesst das niemals.

Was wir beeinflussen und vor allem ein Stückweit kontrollieren können, ist unsere persönliche Situation. Was passiert ganz bildlich gesprochen in manchen Einsatzsituationen, die uns an unsere Grenzen bringen: ich rücke aus und plötzlich taucht eine scheinbar unlösbare Situation wie eine Wand vor mir auf! Die relevante Frage in der Situation ist: wie schaffe ich es an dieser Wand vorbei hin zum Einsatzerfolg?

Möglichkeiten gibt es viele: rechts oder links daran vorbei, obendrüber, unten drunter durchgraben oder ganz brachial (und meist die schlechteste Variante) durch die Wand hindurch. Letztlich führen alle Wege zum Ziel, bloß überhaupt einen davon zu finden und unter Strich hoffentlich auch den besten liegt fast allein bei mir.

Was beeinflusst meine Möglichkeiten in solchen Situationen einen guten Weg zu finden oder dass mir genau das eben schwer fällt?

  • Ich muss wissen welche Möglichkeiten technisch, personell und in dieser Situation überhaupt praktikabel sind!
  • Ich muss wissen wie ich mein Team dazu bringe genau diesen Weg umzusetzen!
  • Ich muss die Umgebung, meine Ausstattung, alle äußeren Umstände best möglich kennen und darauf vorbereitet sein!
  • Ich muss geistig dem Stress widerstehen, um nach wie vor klare Gedanken fassen zu können und die Lösung erkennen zu können!

Viele Voraussetzungen, die auf uns als Einsatzleiter zu kommen. Was sich dahinter verbergen könnte und Möglichkeiten, um genau auf den letzten Punkt reagieren zu können erfahrt ihr in Teil zwei dieses Blogs.

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